

Kröll - 10.07.2025
Wer ist wirklich qualifiziert, Immobilien zu bewerten?
Ein Leitfaden für Kauf, Verkauf, Finanzierung & Erbschaft

Wer ist wirklich qualifiziert, Immobilien zu bewerten?
Ob Kauf, Verkauf, Finanzierung oder Erbschaft – der Wert einer Immobilie ist oft Grundlage weitreichender finanzieller Entscheidungen. Doch was ist eine Immobilie wirklich wert – und wer darf das zuverlässig feststellen? Zwischen laienhafter Preisvorstellung und gerichtsfestem Gutachten liegt ein entscheidender Unterschied. Dieser Leitfaden zeigt, worauf Eigentümer, Käufer und Finanzierer achten sollten, um qualifizierte Bewertungen zu erkennen, rechtliche Fallstricke zu vermeiden und fundierte Entscheidungen zu treffen. Denn bei Immobilien gilt: Wer auf das falsche Urteil setzt, riskiert bares Geld.
Was Sie in diesem Blogartikel erfahren werden
1. Warum „Bewertung“ nicht gleich „Meinung“ ist
2. Rechtlicher Rahmen: Was verlangt das Gesetz?
3. Typische Qualifikationswege
4. Drei Prüffragen für Auftraggeber
5. Sonderfälle und Fallen
6. Fazit
Warum „Bewertung“ nicht gleich „Meinung“ ist
Der Verkehrswert einer Immobilie entscheidet über Kaufpreise, Beleihungsgrenzen, Steuern oder Vermögensaufteilungen. Fehleinschätzungen können schnell fünf- oder sechsstellige Folgen haben. Deshalb genügt keine bloße Marktmeinung – gefragt ist fachlich fundierte, nachvollziehbare Wertermittlung.
Rechtlicher Rahmen: Was verlangt das Gesetz?
- Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV)
definiert die Verfahren (Vergleichs-, Ertrags-, Sachwert), aber nicht, wer sie anwenden darf. - Gerichtsverfassungsgesetz & ZPO
regeln nur, dass Sachverständige fachkundig, unabhängig und unparteiisch sein müssen. - Steuer- und Beleihungsrecht
akzeptieren Gutachten nur, wenn Qualifikation, Methode und Dokumentation plausibel sind.
Ergebnis: Die Berufsbezeichnung „Sachverständiger“ ist nicht geschützt – die Qualitätssicherung liegt bei Auftraggebern, Gerichten, Banken und Berufsorganisationen.
Typische Qualifikationswege
Titel / Nachweis | Wesentlicher Inhalt | Typische Einsatzfelder |
---|---|---|
Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger (ö.b.u.v.) | Strenge Prüfung durch IHK/HWK, regelmäßige Überwachung | Gerichte, Banken, Privatgutachten |
Zertifizierter Sachverständiger (DIN EN ISO/IEC 17024) | Personenzertifizierung mit Kompetenzprüfung & Rezertifizierung | Beleihungs- & Unternehmensbewertungen |
Chartered Surveyor (MRICS/FRICS) | Internationaler RICS-Standard, Praxis- und Ethikprüfung | Transaktionen, Portfoliobewertungen |
Recognised European Valuer (REV/TEGoVA) | Europäisches Qualitätszeichen, CPD-Pflicht | grenzüberschreitende Bewertungen |
Interner Bank-/Versicherungsbewerter | Regulatorische Mindeststandards (MaRisk, KWG) | Finanzierungen, Risiko-Monitoring |
Mitglied im Gutachterausschuss | Von Ländern berufene Marktberater, Zugang zu Kaufpreisdaten | Bodenrichtwerte, Marktforschungen |
Praxisregel: Je höher die Haftungs- oder Regulierungsanforderungen, desto strenger die geforderte Qualifikation.
Drei Prüffragen für Auftraggeber
- Sachkunde
Passt Ausbildung + Praxis zur Immobilienart? - Unabhängigkeit
Gibt es wirtschaftliche oder persönliche Verflechtungen? - Nachvollziehbarkeit
Ist das Gutachten nach ImmoWertV aufgebaut, sauber belegt und laienverständlich?
Wer diese Kriterien nicht erfüllt, liefert bestenfalls einen Preisvorschlag, aber keinen belastbaren Verkehrswert.
Sonderfälle und Fallen
- Makler-„Bewertung“: Oft unverbindliche Marktpreiseinschätzung – nützlich zum Erstorientieren, jedoch nicht gerichts- oder finanzamtstauglich.
- Automated Valuation Models (AVM): Sekunden-Berechnung auf Basis großer Datensätze – hilfreich bei Portfolien, aber ohne Orts- und Objektprüfung lückenhaft
- Eigene Excel-Modelle: Für interne Kalkulation o. k., nach außen ohne Qualifikationsnachweis wenig belastbar.
Fazit
Nicht jeder, der Immobilienpreise schätzt, ist qualifiziert, einen werthaltigen Verkehrswert zu ermitteln. Es erfordert vor allem nachweisbare Fachkompetenz – also eine Kombination aus fundierter Ausbildung, relevanter Berufserfahrung und regelmäßiger Fortbildung. Ebenso wichtig ist eine institutionell anerkannte Qualitätssicherung, etwa durch öffentliche Bestellung und Vereidigung (ö.b.u.v.), zertifizierte Verfahren nach DIN EN ISO/IEC 17024, internationale Standards wie RICS oder europäische Auszeichnungen wie REV.
Hinzu kommt die methodische Sauberkeit: Ein belastbares Gutachten folgt den Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV), ist nachvollziehbar aufgebaut und dokumentiert jeden Rechenschritt. Nicht zuletzt zählt die Unabhängigkeit – nur wer frei von wirtschaftlichen oder persönlichen Interessen handelt, kann objektiv und neutral bewerten.
Merksatz:
Ein gutes Gutachten kostet Geld – ein schlechtes kann ein Vermögen kosten.
Wer diese Grundsätze beachtet, minimiert das Risiko von Fehlentscheidungen und schafft Vertrauen bei Banken, Behörden und Gerichten.